Nachrichten - 7. November 2024
Donald Trump wird wieder US-Präsident: Was bedeutet das für Friedenspolitik und Rüstungskontrolle?
Die US-Wahlen sind entschieden: Donald Trump wird wieder Präsident der USA. Was bedeutet das für die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten? Wie wird die NATO reagieren? Und welche Pläne hat Trump für die US-Atomwaffen? Wir geben einen ersten Überblick darüber, welche Friedens- und Verteidigungspolitik von Trump zu erwarten ist.
US-Präsident Trump ist mit einer klaren innenpolitischen Agenda angetreten. Die wenigsten seiner Wählerinnen und Wähler haben ihn aus außenpolitischen Gründen gewählt. Friedens- und Verteidigungspolitik spielten im Wahlkampf entsprechend kaum eine Rolle. In seiner ersten Amtszeit ist Donald Trump insbesondere durch seine Unberechenbarkeit aufgefallen und dadurch, "Deals" mit schnellen Vorteilen für die USA ("America First") einzufordern.
Die Kündigung wichtiger Abkommen wie des INF-Vertrages und des Iran-Abkommens (JCPOA), eine widersprüchliche Haltung zu Russland und eine fast schon zwanghafte Fokussierung auf China bleiben in Erinnerung. Ebenso die Eigenart, durch massive Drohungen eine Reaktion von Bündnispartnern zu erzwingen. Dazu passt, dass Trump im Frühjahr 2024 andeutete, Russland zu einem Angriff auf "säumige" NATO-Staaten ermuntern zu wollen. Selbst US-Militärs warnen vor Trumps autoritären Bestrebungen.
Project 2025: Die erschreckende Agenda für Trumps zweite Amtszeit?
Die künftige US-Außenpolitik vorherzusehen, gleicht daher einem Blick in die Glaskugel. Anhaltspunkte für die Pläne der Republikaner bietet jedoch das umfangreiche Konzeptpapier "Project 2025", das der konservative US-Thinktank "The Heritage Foundation" veröffentlicht hat. Auf mehr als 920 Seiten skizziert es eine politische Agenda, die den Rahmen für die zweite Amtszeit Trumps bilden könnte.
Sie sieht unter anderem einen radikalen Umbau des Regierungsapparats und die Bündelung der Macht in den Händen des Präsidenten vor. Zudem plant sie im Kern eine US-Politik, die auf Militarisierung ausgerichtet ist, Konfrontation sucht, Rüstungskontrollabkommen als gescheitert verspottet und den globalen Systemwettbewerb durch militärische Überlegenheit - insbesondere im Bereich der Atomwaffen - gewinnen will.
Was ist von US-Präsident Trumps Außenpolitik für Europa zu erwarten?
Das "Project 2025" spricht sich für eine "Umgestaltung" der NATO aus. Die Hauptverantwortung für die Abschreckung gegenüber Russland soll an die europäischen Staaten übertragen werden. Perspektivisch ist sogar ein Abzug der US-Streitkräfte aus Europa angedacht. Ob es sich dabei um mehr als eine Drohung handelt, bleibt offen. Fest steht, dass die Trump-Administration die europäischen NATO-Staaten zu massiver Aufrüstung drängen wird. Hierauf müssen diese eine Antwort finden, ohne sich in ein Wettrüsten hineinziehen zu lassen.
In der Vergangenheit hat Donald Trump damit geprahlt, er könne den Ukraine-Krieg sehr schnell beenden. Angesichts seiner Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin schürt dies insbesondere in der Ukraine die Sorge, dass die USA ihre Hilfen stoppen und ein Abkommen zu Bedingungen Russlands erzwingen könnten. Beobachter gehen davon aus, dass die Situation der Ukraine kein Schwerpunkt der politischen Agenda der US-Regierung sein wird. Es ist daher an den europäischen Staaten, endlich Initiativen für einen gerechten Frieden in der Ukraine zu starten.
Welche internationalen Schwerpunkte setzt die Trump-Regierung?
Unter den im "Project 2025" beschriebenen Schwerpunkten der internationalen Politik spielt erwartungsgemäß der Systemwettbewerb mit China eine große Rolle. Er soll nicht nur durch Handelsbeschränkungen, sondern auch durch militärische Dominanz in allen Bereichen (auch im Weltraum und im Bereich der Cyber-Technologien) gewonnen werden. Selbst der Einsatz militärischer Mittel zur Bekämpfung von Chinas Infrastruktur-Investitionsprojekten im Rahmen der "Neuen Seidenstraße" ist offenbar eine Option.
Weiterhin wird eine klare Unterstützung Israels erwartet: Das "Project 2025" setzt auf einen Konfrontationskurs mit Iran, es will jegliche Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde streichen und eine neue Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten einführen, die die Ursachen des israelisch-palästinensischen Konfliktes weitgehend ignoriert.
Allgemein ist jedoch zu erwarten, dass das Interesse an globalen Fragen sinkt: Zentrales außenpolitischen Thema für Donald Trump wird wohl der Umgang mit Geflüchteten aus Mittel- und Südamerika sein.
Welche Pläne hat Präsident Trump für die US-Atomwaffen?
Nukleare Aufrüstung ist ein zentraler Bestandteil des "Project 2025". Die Atomwaffen-Programme sollen beschleunigt, die Mittel für die Entwicklung und Produktion neuer und modernisierter Atomsprengköpfe erhöht werden. Zudem sollen Atomtests vorbereitet werden, obwohl die USA den Vertrag über das umfassende Verbot von Atomwaffentests unterzeichnet und seit 1992 keine Atomwaffe mehr in vollem Umfang getestet haben. Sollten die USA tatsächlich neue Atomtests durchführen, ist zu erwarten, dass andere Nationen nachziehen. Das muss unbedingt verhindert werden.
Die verbleibenden Rüstungskontrollverträge sollen laut "Project 2025" beendet werden, weil sie dem Ziel einer Stärkung der nuklearen Abschreckung im Weg stehen. Damit steht zu befürchten, dass Staaten wie Russland, China, Iran und Nordkorea künftig ebenfalls massiv nuklear aufrüsten und das Risiko eines Atomkrieges immer weiter wächst. In der US-Zivilgesellschaft wird befürchtet, dass selbst Japan, Südkorea und sogar Deutschland über die nukleare Grenze getrieben werden könnten.
Was kann in dieser politischen Stimmung überhaupt für Frieden und Abrüstung getan werden?
Wenn sich das Narrativ durchsetzt, dass Rüstungskontrolle gescheitert ist, würde die internationale Sicherheits- und Nichtverbreitungsarchitektur zusammenbrechen. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass insbesondere die Verbündeten der USA auf eine Einhaltung der bestehenden Verträge und Abkommen drängen und Initiativen für neue Rüstungskontroll-Vorhaben anstoßen. Donald Trump muss klar gemacht werden, dass ein Atomkrieg niemals gewonnen werden kann und daher nicht einmal vorbereitet werden darf.
Ohne Rüstung Leben fordert mehr internationale Zusammenarbeit, um das Völkerrecht und das nukleare Tabu zu stärken sowie der fortschreitenden Militarisierung und Eskalation von Konflikten entgegenzuwirken. Während Trumps letzter Amtszeit haben die Vereinten Nationen den UN-Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen! Es besteht also kein Grund, nicht weiterhin die Alternativen zur Aufrüstung und Konfrontation mit aller Kraft zu unterstützen. Die Bundesregierung - insbesondere die künftige! - ist hier in der Pflicht.
Mehr Informationen
Konzeptpapier "Project 2025" [Englisch, PDF-Download]
CAP20: Project 2025 Will Undermine America’s National Security
Tagesschau: Was könnte Trump planen?
ICAN Deutschland: Wiederwahl von Donald Trump erhöht das Risiko einer nuklearen Eskalation
Die Vereinten Nationen haben einen Atomwaffenverbotsvertrag ausgehandelt und durch die insgesamt 122 teilnehmenden Staaten verabschiedet. Am 22. Januar 2021 trat der Vertrag in Kraft.
Auf unserer Themenseite finden Sie alle Nachrichten zum Atomwaffenverbotsvertrag.
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