Pressemitteilung - 9. März 2025
Europäische ICAN-Partner: Nukleare Aufrüstung in Europa wäre unverantwortlich und gefährlich

Während die Staaten des UN-Atomwaffenverbotsvertrages in New York zusammenkamen, wird in Europa über nukleare Aufrüstung und eine Ausweitung der französischen und britischen Arsenale debattiert. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilen die europäischen ICAN-Partner, zu denen Ohne Rüstung Leben gehört, diese unverantwortlichen Pläne.
Bei ihrer dritten Staatenkonferenz haben die Mitglieder des UN-Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) in New York erneut betont, dass Sicherheit nicht in der Doktrin der nuklearen Abschreckung, sondern in der Abrüstung von Atomwaffen liegt. In der politischen Erklärung der Konferenz heißt es: "Die nukleare Abschreckung beruht auf der Existenz eines nuklearen Risikos, dass das Überleben aller bedroht."
Die Deutsche Bundesregierung boykottierte die wichtige Konferenz und sendete damit ein fatales Signal. Die Zivilgesellschaft aus ganz Europa war jedoch vertreten: Im Namen der europäischen ICAN-Partnerorganisationen haben Juliane Hauschulz (ICAN Deutschland / IPPNW Deutschland) und Jean–Marie Collin (ICAN France) am Freitag, dem 7. März 2025, auf der Staatenkonferenz gesprochen.
Vor den Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsstaaten verurteilten sie die Pläne zur nuklearen Aufrüstung in Europa und zu einer Ausweitung der französischen Nukleardoktrin auf Deutschland. Gleichzeitig hoben sie die große Leistung der Staaten hervor, die mit dem Bekenntnis zum Atomwaffenverbot einen Weg zu einer sichereren Welt aufzeigen. Diese Überzeugung veröffentlichen wir jetzt auch in einer gemeinsamen Erklärung.
Gemeinsame Erklärung von 35 europäischen ICAN-Partnern
New York, 7. März. 2025 (deutsche Übersetzung):
Unsere Organisationen, europäische Partnerorganisationen der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), sind alarmiert über die gefährliche und zunehmende Rhetorik einiger unserer Staats- und Regierungschefs zugunsten eines französisch-britischen nuklearen Schutzschilds. Diese Entwicklung untergräbt jahrzehntelange europäische Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung, Nichtverbreitung und zum internationalen Recht und offenbart eine tiefgreifende Scheinheiligkeit.
Einerseits behaupten diese Staaten, die internationale Sicherheitsarchitektur - insbesondere den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) - zu unterstützen. Am nächsten Tag diskutieren sie offen über nukleare Aufrüstung. Ihr Bemühen, die nuklearen Drohungen anderer zu verurteilen, wird mit jedem Tag unglaubwürdiger. Es steht außer Frage, dass diese Pläne, sollten sie umgesetzt werden, die Sicherheit der Europäer:innen und letztlich aller Staaten verringern würden.
Wir erleben eine zunehmende Rhetorik, die Atomwaffen als Sicherheitsstrategie in unseren europäischen Ländern darstellt. Wir jedoch teilen die Überzeugung, dass nukleare Abschreckung niemals eine verantwortungsvolle oder nachhaltige Sicherheitsstrategie sein kann. Nukleare Abschreckung ist keine Lösung - sie ist Teil des Problems.
Sie bedeutet zwangsläufig ständige Bereitschaft, Fähigkeit und Drohung, Massenmord an Zivilbevölkerungen zu begehen. Dies ist ein zynisches Verständnis von Sicherheit. Es ist verwerflich, wenn irgendein Staat - insbesondere jedoch jene, die vorgeben, Demokratie, Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht zu verteidigen und zu fördern - darüber spricht, zivile Leben und Existenzen aufs Spiel zu setzen.
Europa öffnet die Tür zu nuklearer Verbreitung
Europäische Regierungen haben sich lange als Verteidiger des Völkerrechts, einschließlich des humanitären Völkerrechts, positioniert und damit den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) gestärkt. Sie haben argumentiert, dass die Reduzierung von Atomwaffenbeständen und die Förderung von Rüstungskontrollmaßnahmen Beweise für ihr Engagement für den NVV seien.
Doch am 55. Jahrestag des NVV kündigte Präsident Macron an, die Tür für einen europäischen nuklearen Schutzschild zu öffnen - und brach damit den Geist genau jenes Vertrags. Die Normalisierung von Atomwaffen und die Schwächung der internationalen Sicherheitsarchitektur sind ein Schritt in die falsche Richtung - insbesondere in einer Zeit, in der das Risiko eines Atomkriegs so hoch ist wie nie zuvor.
Alle Staaten sollten internationale Normen gegen Atomwaffen stärken - nicht schwächen. Wenn europäische Staaten ihre Haltung gegenüber Atomwaffen aufweichen, welches Signal senden sie dann an den Rest der Welt? Und wie können sie glaubwürdig die nukleare Machtdemonstration Russlands oder anderer Staaten kritisieren, während sie selbst ähnliche Schritte erwägen?
Europäische Staaten sollten besonnene Entscheidungen treffen, statt in Panik zu verfallen
Im Jahr des 80. Gedenkens an die Tragödien von Hiroshima und Nagasaki erleben wir eine Debatte, die viel zu schnell geführt wird, Gegenstimmen ignoriert und die Kettenreaktion von Entscheidungen außer Acht lässt: Gegenreaktionen anderer Staaten, den Zusammenbruch unseres nuklearen Regimes, nukleare Verbreitung und das Ende des seit 1945 bestehenden nuklearen Tabus.
Gerade angesichts der herausfordernden Lage und hohen Spannungen sollten alle Staaten besonnene Schritte unternehmen, anstatt in Panik zu verfallen. Diese Schritte erfordern starke Führung, Mut und Konsequenz. 800 europäische Städte sowie die europäischen Staaten Malta, Österreich, Irland, San Marino, Liechtenstein und der Heilige Stuhl haben bereits eine prinzipientreue Haltung eingenommen, indem sie den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen (AVV) unterstützt haben.
Der AVV trat 2021 in Kraft, wird derzeit von 94 Staaten unterstützt und verbietet jeglichen Umgang mit Atomwaffen. Dazu gehört auch die implizite und explizite Drohung mit ihrem Einsatz, die unsere kollektive Sicherheit direkt betrifft.
Wir begrüßen daher die Arbeit der Vertragsstaaten des AVV, die vom 3. bis 7. März 2025 ihre dritte Vertragsstaatenkonferenz bei den Vereinten Nationen abgehalten haben. Erstmals haben Staaten dort legitime Sicherheitsbedenken diskutiert, die sich aus der Existenz von Atomwaffen ergeben, und damit den Mythos der nuklearen Sicherheit in Frage gestellt.
Wir als europäische Zivilgesellschaft begrüßen diese Diskussionen und werden weiterhin unsere Regierungen zur Rechenschaft ziehen, auf die Einhaltung des Völkerrechts drängen und uns für die Wahrung der Menschenrechte sowie eine sichere und gerechte Welt für alle Menschen einsetzen.
Es ist unser gemeinsamer Auftrag, alle europäischen Staaten dazu zu bewegen, sich mit dem AVV auseinanderzusetzen und ihm beizutreten - anstatt sich ihrer Verantwortung zu entziehen.
Unterzeichnende Organisationen
Acronym Institute for Disarmament Diplomacy (Vereinigtes Königreich)
Alianza por el Desarme Nuclear (Spanien)
Beati i costruttori di pace (Italien)
Forbyd Atomvåben - ICAN in Denmark
Friedenswerkstatt Mutlangen (Deutschland)
ICAN Austria - Kampagne zur Abschaffung von Nuklearwaffen (Österreich)
ICAN Frankreich
ICAN Finnland
ICAN Deutschland
ICAN Norwegen
IPPNW Finnland
IPPNW Deutschland
IPPNW Griechenland
IPPNW Norwegen
ICBUW (Deutschland)
Medact U.K (Vereinigtes Königreich)
Medact Scotland
Nature Friends Greece
Nei Til Atomvåpen (Norwegen)
Norwegian People's Aid (Norwegen)
NVMP Netherlands
Ohne Rüstung Leben (Deutschland)
Pax Christi Vlaanderen (Belgien)
PAX for Peace (Niederlande)
Peace Union of Finland
Physicians for Social Responsibility (Finnland)
Rete italiana Pace e Disarmo (Italien)
Secure Scotland
Swedish Physicians against Nuclear Weapons
Swedish Peace and Arbitration Society
Technology for Life Finland
Trident Ploughshares (Vereinigtes Königreich)
UK/Ireland Nuclear Free Local Authorities
Vrede vzw (Belgien)
World Without Wars and Violence (Griechenland)
Die Vereinten Nationen haben einen Atomwaffenverbotsvertrag ausgehandelt und durch die insgesamt 122 teilnehmenden Staaten verabschiedet. Am 22. Januar 2021 trat der Vertrag in Kraft.
Auf unserer Themenseite finden Sie alle Nachrichten zum Atomwaffenverbotsvertrag.
Mehr Informationen
taz: Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay über das Atomwaffenverbot
ICAN-Pressemitteilung: Abschluss der 3. AVV-Staatenkonferenz
Abschlusserklärung der 3. Staatenkonferenz [PDF-Download, Englisch]
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