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Nachrichten - 25. Februar 2019 - UPDATE: 1. März 2019

Gerichtsurteil zu "Heckler & Koch": Exportgenehmigung nach Mexiko war erschlichen

Rüstungsgegner bei einer Mahnwache vor dem Heckler & Koch-Prozess
Foto: Wolfgang Rüter

"Dieses Verfahren ist kein Tribunal über deutsche Rüstungspolitik", stellte der Vorsitzende Richter klar. Das Urteil im "Heckler & Koch"-Prozess zeigt dennoch: Illegale Rüstungsgeschäfte werden zunehmend von Friedensorganisationen aufgedeckt und jetzt auch von den Gerichten sanktioniert. Den schwäbischen Kleinwaffenhersteller dürfte das in Schwierigkeiten bringen.


Das Landgericht Stuttgart sah es als erwiesen an, dass Endverbleibserklärungen durch Mitarbeitende von "Heckler & Koch" bewusst frisiert wurden, um Waffenlieferungen an nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten zu vertuschen. Die Bundesregierung hatte den Verkauf von rund 4.500 Sturmgewehren des Typs G 36 sowie Maschinenpistolen und Zubehör nach Mexiko auf Grundlage vorliegender Endverbleibserklärungen genehmigt. Darin wurden als Empfänger der Waffen nur Polizeibehörden in als "unbedenklich" geltenden mexikanischen Bundesstaaten genannt.

Tatsächlich gelangten die Waffen jedoch auch in solche Regionen Mexikos, für die aufgrund von Polizeigewalt und Menschenrechtsverletzungen keine Genehmigung erteilt worden wäre. Zwei ehemaligen Mitarbeitenden von "Heckler & Koch" konnte nachgewiesen werden, die Ausfuhrgenehmigung für die Waffen "bandenmäßig erschlichen" zu haben: Sie hatten dafür gesorgt, dass alle bedenklichen Empfängerregionen in den Endverbleibserklärungen nicht auftauchten und wurden zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Für eine Verurteilung der weiteren Angeklagten reichten die vorliegenden Beweise nicht aus.


3,7 Millionen von "Heckler & Koch" eingezogen

"Heckler & Koch" selbst konnte wegen des fehlenden Unternehmensstrafrechts in Deutschland nicht zur Verantwortung gezogen werden. Das Gericht hat allerdings entschieden, 3,7 Millionen Euro von der Firma einzuziehen - das entspricht dem gesamten Umsatz aus den illegalen Mexiko-Geschäften. Den hoch verschuldeten Kleinwaffenhersteller dürfte dieses Urteil vor weitere finanzielle Schwierigkeiten stellen. Damit endet einer der spektakulärsten Fälle illegalen Waffenhandels in Deutschland mit einem wichtigen Signal an die Rüstungsindustrie.

Ungetrübte Zufriedenheit herrschte nach dem Urteil auf Seiten der zahlreich erschienenen Rüstungsexportkritikerinnen und -kritiker jedoch nicht. Denn wenngleich im Prozess an mehreren Stellen deutlich wurde, dass die Angeklagten gute Kontakte zu deutschen Ausfuhrbehörden pflegten, sah die Staatsanwaltschaft kein Fehlverhalten der beteiligten Beamten. Ohne Rüstung Leben und die "Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko" kritisieren zudem, dass während des gesamten Verfahrens und auch bei der Urteilssprechung die Opfer in Mexiko in keiner Weise eine Rolle gespielt haben.


"Die bisherige Exportkontrolle ist am Ende"

Fraglich ist nun, welche politischen Implikationen der Prozess haben wird. So urteilte das Gericht beispielsweise, dass die Endverbleibserklärungen im vorliegenden Fall nicht Bestandteil der Exportgenehmigung waren. Damit stellten die illegalen Waffenexporte nach Mexiko keinen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz dar. "Wenn dieses Urteil hält, ist die bisherige Exportkontrolle für Kriegswaffen und Rüstungsgüter am Ende", kommentiert der Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer, der die "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" vertritt und fordert eine rechtssichere Klarstellung in Form eines Rüstungsexport-Kontrollgesetzes.

Ob eine Seite Revision gegen das Urteil einlegen wird, ist noch offen. Zudem steht das Verfahren gegen einen ehemaligen Vertriebsmitarbeiter von "Heckler & Koch" in Mexiko aus - es wurde auf Grund einer Erkrankung des Angeklagten vom Hauptprozess abgetrennt. Mit großem Interesse dürfte das Stuttgarter Urteil auch in Kiel verfolgt worden sein. Dort beginnt nun der Prozess um "Sig Sauer"-Waffenexporte nach Kolumbien. Auch hier brachte eine Strafanzeige der Sprecher der "Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" den Stein ins Rollen.


UPDATE, 1. März 2019: Revision eingelegt, der Fall geht vor den Bundesgerichtshof

Wie das Landgericht Stuttgart mitteilt, haben die beiden ehemaligen Mitarbeiter, das Unternehmen "Heckler & Koch" selbst und die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil eingelegt. Damit wird der Fall vor dem Bundesgerichtshof noch einmal neu aufgerollt. Ohne Rüstung Leben wird weiter berichten.

 

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Ausgewählte Presseberichte zum Urteil:

Handelsblatt: Heckler & Koch muss wegen illegaler Waffenexporte zahlen

FAZ: Heckler & Koch muss 3,7 Millionen Euro zahlen

 

Lesen Sie hier, wie Ohne Rüstung Leben den Prozess begleitet hat:

15. Mai 2018: Mahnwache zum Prozessbeginn vor dem Landgericht

25. September 2018: Kritische Aktionäre auf der Hauptversammlung von "Heckler & Koch"

9. Oktober 2018: Podiumsgespräch zu Ayotzinapa mit Gästen aus Mexiko

19. Februar 2019: "Aktion Aufschrei" - Stellungnahme zum erwarteten Urteil

 

Ein Interview mit Jan van Aken, der den gesamten Prozess verfolgt hat, finden Sie hier:


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