Ohne Rüstung Leben e.V.
Frieden politisch entwickeln

Nachrichten - 24. Juli 2020

Neuer EU-Finanzrahmen mit Licht und Schatten: "Europa als Friedensprojekt stark machen"

Parlamentsgebäude des Europäischen Parlamentes in Brüssel
Haupteingang zum Plenargebäude des Europäischen Parlamentes in Brüssel

Am vergangenen Wochenende haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sowohl den Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 als auch ein Corona-Hilfspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Das ist ein Zeichen innereuropäischer Solidarität in der Krise. Doch aus friedenspolitischer Sicht sind die Pläne nicht nur positiv.


Vor der Europawahl 2019 hatten Ohne Rüstung Leben, das forumZFD und weitere mehr als 100 Organisationen aus verschiedenen Staaten den Aufruf "Rettet das Friedensprojekt Europa" verbreitet. Darin forderten wir unter anderem mehr Geld für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und sprachen uns gegen den EU-Verteidigungsfonds aus. 23.191 Unterschriften für ein Europa des Friedens und der Menschenrechte übergaben wir im Herbst letzten Jahres an die Vizepräsidentin des EU-Parlamentes, Katarina Barley.


Weniger Mittel als geplant im Verteidigungsfonds

Im nun vorgelegten Mehrjährigen Finanzrahmen wurden die Budgets für Sicherheit und Verteidigung sowie Migrationskontrolle gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission tatsächlich deutlich reduziert. Der Verteidigungsfonds, ein Subventionsprogramm für die europäische Rüstungsindustrie, soll statt 13 nur 7 Milliarden Euro umfassen. Für die neue außerbudgetäre "Friedensfazilität", die militärische Ausbildung und Ausrüstung in Drittstaaten sowie Militäreinsätze finanzieren soll, sind statt 10,5 nur noch 5 Milliarden Euro vorgesehen.

Der Bereich der Rüstungs- und Militärfinanzierung, den wir in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich kritisiert hatten, erhält also weniger Mittel. Das ist eindeutig zu begrüßen. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik der Europäischen Union sich weiter militarisiert - wenn auch vorerst mit angelegter Handbremse. Gleichzeitig verlieren Entwicklung und internationale Zusammenarbeit in Brüssel offensichtlich an Bedeutung.


Auch bei Entwicklung und Zusammenarbeit wird gespart

Denn im Finanzrahmen sind auch die Mittel für die EU-Nachbarschaftspolitik sowie für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung gekürzt worden. 70,8 Milliarden Euro sind hier für die Jahre 2021 - 2027 vorgesehen, 9 Milliarden Euro weniger als ursprünglich geplant. "Wir hatten eine Verdreifachung der Mittel für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Menschenrechte gefordert. Nun werden ab 2021 noch weniger Mittel dafür zur Verfügung stehen als bislang", kritisiert das forumZFD in einer ersten Stellungnahme.

Der Entwurf der Staats- und Regierungschefs für den Finanzrahmen wird jetzt mit dem Europäischen Parlament verhandelt. Voraussichtlich im September sollen die Abgeordneten über die zentralen Eckpunkte des neuen EU-Haushalts für die kommenden sieben Jahren abstimmen. Bis dahin sind Änderungen möglich - zur Kontrolle der Rechtsstaatlichkeit bei der Vergabe von Geldern an EU-Mitgliedsstaaten hat das Parlament bereits Nachbesserungen eingefordert. Nun müssen auch friedenspolitische Themen auf die Agenda!

Anlässlich der beginnenden Verhandlungen haben wir dafür einen neuen Aufruf auf den Weg gebracht. Wir fordern, dass die EU ihre Rolle für den Aufbau einer gerechten, nachhaltigen und friedlichen Welt wahrnimmt.

 



AUFRUF (24. Juli 2020)

an das Europäische Parlament,
den Rat der Europäischen Union,
und die Präsidentin der Europäischen Kommission

Europa als Friedensprojekt stark machen

Jetzt handeln. Für Frieden. Für Menschenrechte.


Die Corona-Krise zeigt uns: Bislang scheinbar Unmögliches wird machbar, wenn Entschlossenheit und politischer Wille zusammenkommen. Jetzt muss Europa solidarisch handeln. Jetzt brauchen wir jeden Euro für den Aufbau einer gerechten, nachhaltigen und friedlichen Welt.

2012 erhielt die Europäische Union den Friedensnobelpreis. Doch sie wird dieser Auszeichnung immer weniger gerecht: Die Mitgliedsstaaten bauen die EU Schritt für Schritt zu einer Festung aus und investieren immer weniger Geld in gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Menschenrechte.


Wir fordern Sie auf: Ändern Sie den Kurs! Jetzt ist die Zeit, Aufrüstung und Abschottung endlich zu stoppen und Europa als Friedensprojekt stark zu machen!

  • Setzen Sie sich ein für eine Europäische Union, die für Frieden und Menschenrechte eintritt – innerhalb Europas und weltweit.
    Stärken Sie dazu die Europäische Union als Vermittlerin in Konflikten und investieren Sie endlich mehr in zivile Friedensmissionen und Krisenprävention. Verdreifachen Sie die Förderung im nächsten EU-Finanzrahmen auf 7 Milliarden Euro für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und 3 Milliarden Euro für die Unterstützung der Zivilgesellschaft und den Schutz der Menschenrechte.
  • Hören Sie auf, Flucht und Migration mit allen Mitteln abzuwehren.
    Die geplante Vervielfachung der Mittel für die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX mit einer ständigen Personalreserve von 10.000 ist unverhältnismäßig. Von der EU eigens aufgerüstete Verbände wie die libysche Küstenwache führen immer wieder völkerrechts- und menschenrechtswidrige Rückführungen von Flüchtenden durch. Verzichten Sie auf Militärhilfe und Waffenexporte an Staaten und Milizen, die Menschenrechte verletzen oder Krieg führen. Setzen Sie sich für eine Verschärfung und strikte Einhaltung der europäischen Kriterien zur Rüstungsexportkontrolle ein.
  • Sorgen Sie dafür, dass Europa seine Verpflichtungen zu Armutsbekämpfung und nachhaltiger Entwicklung einlöst.
    Europäische Entwicklungsgelder müssen uneingeschränkt für Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung, Bildung, Gesundheit und Friedensförderung verwendet werden. Diese Mittel dürfen nicht zur Migrationsabwehr zweckentfremdet werden. Es darf nicht sein, dass vor allem solche Staaten EU-Hilfsgelder erhalten, die im Gegenzug zusagen, Menschen an Flucht und Migration nach Europa zu hindern.
  • Bieten Sie Menschen in Not den Schutz, den sie brauchen.
    Stärken Sie das Recht auf Asyl. Lassen Sie nicht länger zu, dass Menschen an den Grenzen Europas sterben. Sorgen Sie dafür, dass Schutzsuchende ein faires Asylverfahren in Europa bekommen und nicht vor den Toren der EU abgewiesen werden. "Vorprüfungen" an den Außengrenzen Europas verstoßen gegen geltendes Völkerrecht. Alle Geflüchteten, die Europa erreichen, müssen menschenwürdige, sichere Unterbringung erhalten. Lösen Sie die Lager auf den griechischen Inseln auf! Schicken Sie Schutzsuchende nicht zurück in Länder, in denen Folter oder Verfolgung drohen oder Krieg herrscht.
  • Treten Sie für internationale Zusammenarbeit und Solidarität ein – globalen Krisen wie der Corona-Pandemie muss die Welt gemeinsam begegnen.
    Stärken Sie die Vereinten Nationen, um das Virus erfolgreich einzudämmen sowie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu bewältigen. Für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen unserer Zeit, allen voran die Klimakrise, brauchen wir starke Institutionen der internationalen Zusammenarbeit.

Europa muss dabei vorangehen!

 


 

Unterzeichnende:

Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, Brot für die Welt, Bund für Soziale Verteidigung, Church and Peace - Europäisches Friedenskirchliches Netzwerk, Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD), Ohne Rüstung Leben, pax christi - Internationale Katholische Friedensbewegung

Logos der Organisationen Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, Brot für die Welt, Bund für Soziale Verteidigung, Church and Peace - Europäisches Friedenskirchliches Netzwerk, Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD), Ohne Rüstung Leben, pax christi -

 


 

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