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Presseerklärung - 9. Februar 2021 - UPDATE: 8. März 2021

Bundesgerichtshof verhandelt im Fall illegaler Rüstungsexporte nach Mexiko

Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!
Foto: Jens Volle

Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karsruhe fand am 11. Februar 2021 die Hauptverhandlung im Fall illegaler Rüstungsexporte von "Heckler & Koch" nach Mexiko statt. Die Revision wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die gravierenden Schwächen des deutschen Rüstungsexportkontrollsystems. Der neue Termin für die Urteilsverkündung steht jetzt fest.


Wie der Vorsitzende Richter in der mündlichen Hauptverhandlung bekanntgab, ist die Urteilsverkündung des Bundesgerichtshofes (BGH) für den 11. März 2021 geplant (UPDATE: Dieser Termin wurde mittlerweile auf den 30. März 2021 verschoben). Für Holger Rothbauer, Anwalt der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", hat das Urteil der Revision eine grundsätzliche Bedeutung für die deutsche Rüstungsbranche.

"Unabhängig vom Ausgang zeigt das Verfahren schon jetzt, dass die bisherige Handhabung von Endverbleibserklärungen kein effektives Mittel der Rüstungsexportkontrolle ist. Der Gesetzgeber muss umgehend ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg bringen, das eine wirksame Exportkontrolle etabliert", so Rothbauer.

Ausgelöst durch Strafanzeige der "Aktion Aufschrei"

Nach einer Strafanzeige von Jürgen Grässlin, Sprecher der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", verhandelte das Landgericht Stuttgart zwischen 2018 und 2019 über die  Waffenexporte von "Heckler & Koch". Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Genehmigung für den Export von rund 4.500 Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst falschen Endverbleibserklärungen erschlichen worden war.

Endverbleibserklärungen dokumentieren gegenüber den deutschen Genehmigungsbehörden, wo die exportierten Waffen eingesetzt werden sollen und stellen ein Kernstück deutscher und europäischer Rüstungsexportkontrolle dar. Im konkreten Fall tauchten die tatsächlichen Empfänger - Polizei- und Sicherheitskräfte in mexikanischen Unruheprovinzen, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wurden - nicht in den Erklärungen auf.


Bewährungsstrafen und Umsatzeinzug

Anders als bislang üblich sah das Landgericht Stuttgart die Endverbleibserklärungen jedoch nicht als Bestandteil der Exportgenehmigung an. Aus dieser Sichtweise folgt, dass die Genehmigung für den Export der Sturmgewehre rein formaljuristisch für ganz Mexiko galt. Entsprechend urteilte das Landgericht nur wegen der falschen Angaben in den Erklärungen: Zwei ehemalige Mitarbeitende von Heckler & Koch erhielten Bewährungsstrafen. Vom Unternehmen sollen rund 3,7 Millionen Euro eingezogen werden.

Der frühere Landgerichtspräsident Peter Beyerle, damaliger Ausfuhrbeauftragter und Geschäftsführer bei dem Kleinwaffenhersteller, sowie zwei weitere Mitarbeiter aus der Führungsebene wurden hingegen freigesprochen. Ein weiterer Angeschuldigter befindet sich weiterhin in Mexiko und konnte nicht in das Verfahren in Deutschland einbezogen werden. "Heckler & Koch", die zwei verurteilten Mitarbeitenden und die Staatsanwaltschaft Stuttgart legten Revision ein.


Freispruch für die Führungsebene

Die Frage nach einer Mitverantwortung der Genehmigungsbehörden wurde im Prozess nicht behandelt. Der Freispruch Beyerles erntete erhebliche Kritik. Trotz zahlreicher Indizien für seine Kenntnis von den Unstimmigkeiten bei Genehmigungsbeantragung und -erteilung blieb er straffrei.

"In diesen Fällen organisierter illegaler Waffenexporte sollten nicht nur die niederrangigen Mitarbeiter der Firmen zur Verantwortung gezogen werden", sagt Christian Schliemann-Radbruch, Senior Legal Advisor beim "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR). "Insbesondere die Führungsebene mit klarer Zuständigkeit für die Ausfuhr und steten Kontakten in die betroffenen Ministerien darf nicht einfach aus der Verantwortung entlassen werden."


"Die Opfer haben ein Recht auf Beteiligung"

Keine Rolle spielten im bisherigen Prozess die Opfer aus Mexiko. "Um wirklich zu verhindern, dass mit deutschen Gewehren Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen in Mexiko begangen werden, hätten die Waffen überhaupt nicht nach Mexiko exportiert werden dürfen", erläutert Carola Hausotter von der "Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko".

Der Gesetzgeber müsse klarstellen, dass Rüstungsexportkontrolle auch die Opfer von Schusswaffengewalt in den Empfängerländern zu schützen hat. Diese hätten ein Recht darauf, an den Verfahren beteiligt zu werden. "Die Betroffenen warten noch immer auf die Veröffentlichung des Stuttgarter Urteils. Erst dann können sie die Verantwortlichen in Mexiko vor Gericht bringen", so Hausotter.


Das BGH-Verfahren trägt das Aktenzeichen 3 StR 474/19. Durch die Hauptverhandlung wird der BGH in eigener Zuständigkeit entscheiden. Ein Urteil wird für den 11. März 2021 erwartet.


UPDATE (19. März 2021): Urteilsverkündung auf den 30. März 2021 verschoben

Der für den 11. März 2021 vorgesehene Verkündungstermin musste wegen Erkrankung eines Senatsmitglieds verschoben werden. Neuer Termin für die Urteilsverkündung am BGH ist nun der 30. März 2021.


www.aufschrei-waffenhandel.de

 

Pressekontakte:


ECCHR / Maria Bause:

Tel. 030 69819797, presse[at]ecchr.eu

"Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!" / Jürgen Grässlin:
Tel. 0170 6113759, jg[at]rib-ev.de

Rechtsanwalt Holger Rothbauer / DEHR-Rechtsanwälte:
Tel. 0173 6577693, anwalt[at]dehr.eu

Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko / Tobias Lambert:
Tel. 0157 71730893, presse[at]mexikokoordination.de

 

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